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Diversity in der Hauptversammlungssaison 2026: Balanceakt zwischen Haltung, Recht, und Investorenerwartungen

Diversity ist längst mehr als ein „Nice-to-have“ in der Wertebroschüre. Verschiedenste Studien belegen den direkten Zusammenhang zwischen vielfältigen Teams und dem Erfolg eines Unternehmens. So hat sich das Thema in den vergangenen Jahren zu einem zentralen Faktor für Unternehmensstrategie, Reputation und Governance entwickelt. Regulatorische Vorgaben, gesellschaftliche Erwartungen und Investorenforderungen zwingen Unternehmen zusätzlich zum Handeln: Es geht nicht mehr nur um Personalstrukturen, sondern um die Glaubwürdigkeit des gesamten Unternehmens.

Ein globales Spannungsfeld

Gleichzeitig verdeutlichen die Entwicklungen in den USA, wie dynamisch sich der Rahmen für Diversity verändern kann. Nach den „Black Lives Matter“-Protesten ab 2020 haben viele Unternehmen ihre Programme deutlich ausgeweitet. Mit dem jüngsten Wahlkampf, der MAGA-Bewegung und der Dominanz konservativer Kritiker prägen jedoch neue rechtliche und politische Vorgaben die Debatte: Das Verbot von „Affirmative Action“, also die gezielte Förderung strukturell benachteiligter Gruppen, breite öffentliche Kritik in sozialen Medien und Executive Orders der Regierung haben dazu geführt, dass zahlreiche Konzerne ihre Aktivitäten überprüfen und teilweise zurückfahren.

In Europa zeigt sich das Bild bislang stabiler. Gesetzliche Regelungen wie das Führungspositionen-Gesetz setzen klare Leitplanken, insbesondere für die Besetzung von Vorständen und Aufsichtsräten. Viele Unternehmen haben Diversity daher fest in ihren Strategien verankert und ihre Zielsetzungen bestätigt. Gleichzeitig gab es jedoch auch Fälle, in denen Programme aufgrund der Entwicklungen in den USA angepasst oder Zielgrößen zurückgenommen wurden. Diese Schritte führten häufig zu kritischer Berichterstattung – ein Hinweis darauf, dass die öffentliche Wahrnehmung eng mit der konsequenten Umsetzung verknüpft ist. Spätestens in der Hauptversammlungssaison 2026 wird sich zeigen, wie Unternehmen ihre Position zu Diversity in der neuen internationalen Gemengelage erklären und umsetzen – und wie überzeugend sie dabei gegenüber ihren Stakeholdern auftreten.

Erwartungen der Investoren

Das Investorenlager zeigt sich ebenfalls gespalten: Während sich große US-Investoren wie BlackRock von Diversity-Zielen und -Initiativen distanzieren, ist das Thema hierzulande stärker verankert und wird oft als Teil von Governance, CSR oder Nachhaltigkeitsstrategien betrachtet. Viele deutsche Investoren fordern etwa Quoten für Aufsichtsräte, Transparenz bei Mitarbeiterzusammensetzung und verpflichtende Berichterstattung.

„In der zurückliegenden HV-Saison haben viele Unternehmen auf Fragen zu Diversity eher ausweichend und zögerlich reagiert. Für 2026 erwarten wir, dass sie proaktiv auf Investoren zugehen und ihr Vorgehen erklären. Diversity ist kein Randthema. Es kann im Zweifel auch bei Entlastungs- und Vergütungsentscheidungen eine entscheidende Rolle spielen“, betont Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit & Corporate Governance bei Deka Investment.

Das bedeutet: Der Vorstand muss vorbereitet sein, nicht nur auf Fragen nach Kennzahlen, sondern auch darauf, konkret nachzuweisen, wie Diversity in die Unternehmenskultur und in Vergütungssysteme eingebettet ist.

Balanceakt zwischen Recht und Haltung

Während in Deutschland gesetzliche Vorgaben verbindlich sind, entstehen in den USA neue Risiken. Für deutsche und europäische Unternehmen besteht dabei grundsätzlich kein rechtlicher Widerspruch: Muttergesellschaften unterliegen den hiesigen Gesetzen, das US-Recht gilt hingegen für die dortigen Tochtergesellschaften. In der Praxis bedeutet das, dass gezielte Anpassungen – etwa bei Formulierungen oder einzelnen Initiativen – oftmals ausreichen, um den unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen gerecht zu werden.

„Nicht alle Fragen sind durch Paragrafen zu lösen. Vorstände müssen an einigen Stellen bewusst abwägen, wofür das Unternehmen stehen möchte. Zentrale Grundlage dafür ist eine umfassende Risikoanalyse – nur wer Risiken und Spielräume kennt, kann souverän agieren“, erklärt Dr. Theresa Lauterbach, Partnerin bei Hengeler Mueller.

Reputation und Glaubwürdigkeit sichern

Damit wird die Hauptversammlungssaison 2026 zur Bewährungsprobe. Unternehmen stehen vor der Wahl: Abwarten und verwässern, oder offensiv Haltung zeigen und erklären, warum Diversity mehr ist als ein Trend.

„Diversity ist für europäische Unternehmen eine Haltungsfrage und damit Chefsache. Das Top-Management muss entscheiden, wie es strategisch mit dem Thema umgehen möchte und entsprechend transparent mit seinen Stakeholdern kommunizieren. Nur so sichert es langfristig die Reputation des Unternehmens“, sagt Kerstin Lustig, Director bei FGS Global.

Für die Hauptversammlungssaison 2026 gilt: Diversity wird stärker im Fokus stehen und zu einem wichtigen Indikator für Glaubwürdigkeit. Unternehmen, die Risiken aktiv managen, den Dialog mit Investoren suchen und transparent kommunizieren, sichern Vertrauen und Reputation.

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