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Frau, Mami, Managerin: Wie Schweizer Medien Managerinnen darstellen – und wie nicht

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November 2022: Die Sozialdemokratische Partei sucht die Bundesrats-Nachfolge. Eine grosse Schweizer Tageszeitung schreibt über die Kandidatur von Evi Allemann: „Die 44-Jährige ist Mutter zweier Kinder im Alter von 12 und 7 Jahren. Seit 2018 sitzt sie in der Berner Kantonsregierung und verfügt somit bereits über einschlägige Erfahrung in der Kombination von Familie und Exekutive. Nun ist sie offenbar entschlossen, auch noch die Familienverträglichkeit eines Bundesratsamts zu testen.“

Wäre der Artikel auch so geschrieben worden, wenn Evi Allemann ein Mann wäre, fragt man sich beim Lesen dieser Zeilen. Es scheint, als wäre die Rolle der Frau in erster Linie als Familienzuständige immer noch in vielen Schweizer Köpfen verankert – auch bei Journalist:innen. Ist das mit ein Grund, weshalb die Familienverträglichkeit so häufig bei weiblichen Führungskräften thematisiert wird?

Blickt man auf die Daten, lässt sich die Antwort vermuten: Frauen sind auf dem Schweizer Arbeitsmarkt immer noch unterrepräsentiert. In den obersten Etagen fällt ihre Abwesenheit besonders auf: Im Jahr 2021 hatten 261 Frauen einen Sitz im Verwaltungsrat. Bei den Männern waren es 1081.* Die Situation in der Schweizer Wirtschaft spiegelt sich wie im oben erwähnten Beispiel auch in der Medienberichterstattung wider. Das Problem ist aber nicht nur die Art der Berichterstattung, sondern auch die Häufigkeit: Laut einer Studie der Universität Zürich ist nur jede vierte Person, über die in Schweizer Medien berichtet wird, überhaupt eine Frau. Gleichzeitig würden Frauen seltener im öffentlichen oder beruflichen Kontext dargestellt.**

FGS Global hat bereits zwei Veröffentlichungen*** zur Berichterstattung über Frauen in Führungspositionen in Deutschland publiziert. Diese Publikation legt nun den Fokus auf die Schweiz: Wir haben mit fünf Schweizer Top-Managerinnen darüber gesprochen, wie sie die Berichterstattung zu Frauen in Führungspositionen wahrnehmen, welche persönliche Erfahrungen sie gemacht haben und welche Veränderungen sie sich wünschen.


Lesen Sie hier die ausführlichen Interviews

„Gender Equality ist ein Marathon, kein Sprint. Und es braucht uns alle dazu.“

Annabella Bassler kennt die Medienbranche wie ihre eigene Westentasche. Seit 2007 ist sie bei Ringier – dem grössten international tätigen Medienunternehmen der Schweiz – und sitzt dort seit 2012 als CFO in der Geschäftsleitung. Sie lancierte 2019 die Ringier EqualVoice-Initiative, deren Ziel es ist, Frauen in der Medienberichterstattung sichtbarer zu machen und ihnen die gleiche Stimme zu geben. Dafür wurde unter anderem ein spezieller semantischer Algorithmus inhouse entwickelt, der den Anteil von Frauen in Medienartikeln misst. Der EqualVoice-Factor kann auch von anderen Medienhäusern und Unternehmenskommunikationsbereichen angewendet werden.

Frau Bassler, Sie sind die treibende Kraft hinter der EqualVoice-Initiative. Wie kam es zu dieser Idee?

An einem Event für Mitarbeitende wurde mir die Frage gestellt, die viele Mütter mit Karriere irgendwann hören: Wie vereinbaren Sie Job und Familie? Ich erzählte von meinem damals vierjährigen Sohn, der am Morgen mit Krokodilstränen vor mir stand, weil seine Turnschläppli für den Sport zu klein waren. Damit sie wieder passen, schnitt ich ihm mit der Schere vorne die Schläppli durch. Er strahlte. Das Echo auf diese Geschichte war gross – im Stil von: Frau Bassler ist professionell im Job und humorvoll im Privatleben! Da dachte ich mir: Es fehlt doch einfach an sichtbaren, weiblichen Rollenbildern. Und wer kann diese vermitteln? Die Medien! Als CFO des grössten international tätigen Medienunternehmens der Schweiz konnte ich da Verantwortung übernehmen.

Hatten Sie persönlich auch schon Erfahrungen gemacht, die Sie zu diesem Vorhaben bewegt haben?

Ich hatte bisher immer das Glück, keine negativen Erfahrungen in Bezug auf Gleichstellung zu machen. Allerdings finde ich es immer wieder eindrücklich zu sehen, wie die “unconscious biases” doch in uns allen verankert sind und wie wichtig Rollenmodelle - weibliche und männliche - sind. Ein Erlebnis, das mich persönlich nachdenklich gemacht hat, war eine Frage meines mittlerweile 9-jährigen Sohnes Leo. Ich durfte im letzten Jahr mein 10-jähriges Jubiläum als CFO bei Ringier feiern. Dabei hat mich Leo ganz nachdenklich gefragt: „Mami, können auch Jungs CFO werden?”. Ich bin überzeugt: “Seeing is believing!” oder “You only can be, what you see!”

Wie nehmen Sie die Berichterstattung in Schweizer Medien zu Frauen in Führungspositionen momentan wahr?

In den vergangenen Jahren sehen wir eine deutliche Veränderung und vor allem ein gestiegenes Bewusstsein der Journalist:innen. Einerseits zeigen die Zahlen des EqualVoice-Factors ganz deutlich, dass weibliche Führungskräfte häufiger in der Medienberichterstattung vorkommen als vor einigen Jahren. Beispielsweise hat die Handelszeitung mit einem EqualVoice-Factor von 17% gestartet und ist heute bei rund 30%. Ein weiterer wichtiger Punkt von EqualVoice ist nicht nur, wie oft Frauen in den Medien vorkommen, sondern auch wie Frauen in den Medien porträtiert werden - der EqualVoice-Frame, der sich mit Bild, Wort und Kontext auseinandersetzt. Und auch im EqualVoice-Frame sehen wir eine deutliche Veränderung und ein gestiegenes Bewusstsein. Das Bild, welches der EqualVoice-Factor zeigt, sehe ich auch persönlich. Vor einigen Jahren kamen nur sehr wenige Frauen in den Medien vor. Aus eigener Erfahrung kann ich auch sagen, dass sich die Fragen geändert haben, welche man Personen in Führungspositionen stellt. Während vor einigen Jahren nur mir als Frau die Frage nach der Betreuung meines Sohnes gestellt wurden, werden heute genauso meine männlichen Kollegen nach der Betreuungsaufteilung in der Familie gefragt.

Hat sich etwas an der Berichterstattung in der Schweiz verändert in den gut 15 Jahren, seit sie beim Medienkonzern Ringier angefangen haben?

Ganz grundsätzlich hat sich natürlich durch die Digitalisierung die komplette Medienlandschaft verändert. Was sich allerdings auch in den vergangenen Jahren nicht geändert hat, ist der Fokus auf eine gute Geschichte und ein packendes Storytelling. Es geht also um die Qualität eines Berichts - unabhängig davon, ob dieser von einer Frau oder einem Mann handelt. Ich bin überzeugt, dass die Berichterstattung in den vergangenen Jahren bunter geworden ist. Es werden unterschiedlichere Charakter abgebildet, Meinungen hinterfragt und die Diversität der Schweizer Bevölkerung auch in den Medien abgebildet. Auch die Newsrooms haben sich verändert, sind diverser geworden und bringen so neue Ideen in die Berichterstattung.

Ihre EqualVoice-Initiative fokussiert sich auf den Schweizer Markt. Hat die Schweiz besonderen Bedarf bei diesem Thema oder ist die Situation in anderen Ländern ähnlich?

EqualVoice wurde im November 2019 in der Schweiz gestartet. Uns war es aber wichtig, möglichst bald auch einen internationalen Fokus zu gewinnen. Aus diesem Grund implementieren unsere Publikationen von Ringier Axel Springer in Polen seit Anfang 2021 ebenfalls die EqualVoice-Initiative und erheben den EqualVoice-Factor in ihrer Berichterstattung. Außerdem befinden wir uns zur Zeit gerade im Roll-Out unserer EqualVoice-Initiative in den Redaktionen der Ringier-Publikationen in Serbien, Ungarn, Slowakei und Rumänien. Mit Axel Springer SE aus Deutschland haben wir das erste Medienunternehmen gewinnen können, welches nicht zur Ringier Gruppe gehört, die sich der EqualVoice-Initiative im Januar 2022 angeschlossen hat. Mit dem internationalen Roll-Out von EqualVoice möchten wir die Sichtbarkeit von Frauen nicht nur in der Schweiz erhöhen, sondern auch international. Ich bin überzeugt: Gender Equality ist ein Marathon, kein Sprint. Und es braucht uns alle dazu.

Welchen Wunsch haben Sie an Journalist:innen in Bezug auf den Umgang und die Berichterstattung mit Frauen in Führungspersonen?

Wir sollten alle Menschen gleich behandeln - egal ob Frau, Mann oder Non-Binär; egal ob Führungsperson oder nicht. Für mich bedeutet dies, dass beispielsweise die gleichen Fragen gestellt werden. Mit dem EqualVoice-Frame wollen wir bewusst die Stereotypen aufbrechen und Frauen und Männern die gleiche Stimme geben.

Was würden Sie Frauen in Führungspositionen beim Umgang mit Journalist:innen empfehlen?

Seid mutig und zeigt Euch! Wir merken leider immer noch allzu oft, dass Frauen zurückhaltender sind im Umgang mit Journalist:innen respektive Interviewanfragen. Dabei ist es so wichtig, dass weibliche (und männliche) Rollenmodelle sichtbar gemacht werden in den Medien. Dies funktioniert aber nur, wenn Frauen auch bereit sind, für Interviewanfragen zur Verfügung zu stehen. Macht Euch sichtbar!

„Ich musste nie besonders auffällig sein, um aufzufallen“

Maya Bundt (52) war knapp 20 Jahre lang beim Schweizer Rückversicherer Swiss Re tätig, zuletzt als Leiterin Cyber- und Digitallösungen. Seit einem Jahr ist die gebürtige Deutsche und studierte Umweltnaturwissenschaftlerin vor allem als Verwaltungsrätin aktiv, nämlich bei der Valiant Bank, dem Aussenwerbeunternehmen APG und der Versicherung Baloise.

Frau Bundt, wenn man Ihren Namen in Schweizer Medien sucht, findet man Personalmeldungen über Ihren Weggang von der Swiss Re. Und man findet eine Kolumne in der Wirtschaftsfachzeitung Finanz und Wirtschaft. Darin geben Sie sehr persönliche Einblicke in Ihren Alltag, berichten Sie von Ihren Hobbies und Ihrer Familie. Wie entscheiden Sie, wieviel sie über sich erzählen?

Gute Frage: Ich wäge immer ab, was ich sage. Es ist immer eine Gratwanderung, wie viel Persönliches man preisgibt. Je prominenter das Medium ist und je grösser dessen Reichweite, desto zugeknöpfter bin ich normalerweise. Ich finde es andererseits aber auch wichtig, dass Frauen ihre Geschichten erzählen, denn es gibt zu wenige weibliche Vorbilder, die Führungsposition und Familie unter einen Hut bringen und öffentlich darüber sprechen.

Wie wägen Sie ab, wem Sie was erzählen?

Die erste Frage, die ich mir stelle, lautet immer: Wie wird der Beitrag publiziert? Bei Online- oder Print-Beiträgen, in denen ich meine Zitate freigeben kann, habe ich weniger Hemmungen. Am liebsten habe ich, wenn ich einen Beitrag komplett autorisieren kann. Und wenn ich genau weiss, was auf mich zukommt. Bei Aufnahmen, etwa im Rundfunk oder in Podcasts, tue ich mich schwerer. Die zweite und dritte Frage, die ich mir stelle, lautet: Wer ist das Publikum und was muss ich erzählen, damit man die Story und die Message versteht, die ich transportieren will?

Welche Message möchten Sie denn transportieren?

Das kommt auf das Thema drauf an. Oft werde ich zu Cybersicherheit oder zu Frauen und Leadership angefragt. Beide Themen sind mir sehr wichtig: Je mehr darüber berichtet wird, desto besser.

Bei Cybersicherheit ist es mir z.B. wichtig rüberzubringen, dass dieses Thema alle angeht, und dass sich der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung eines jeden Unternehmens ernsthaft damit auseinandersetzen müssen. Bei Frauen in Führungspositionen weise ich immer wieder darauf hin, dass es mehr Frauen in Führungspositionen braucht, aber auch, dass frau nicht auf eine Familie verzichten muss, wenn sie eine solche Karriere anstrebt.

Von welchen Medien bekommen Sie Anfragen?

Als ich noch bei der Swiss Re war, war ich Sprecherin für Cyber-Versicherungen. Da kamen Anfragen von Printmedien und Fachblättern, aber auch von Onlinemedien und Podcasts und zwar international – das Interesse an meinen Themen war gross. In meiner jetzigen Funktion als Verwaltungsrätin werde ich seltener angefragt, aber setze selbst die Agenda: Ich überlege mir, welche Themen mir wichtig sind und in welcher Form ich darüber sprechen möchte.

Sie sind auch auf LinkedIn aktiv. Welche Strategie verfolgen Sie da genau?

Einerseits schreibe ich, wie oben schon gesagt, über Themen, die mir am Herzen liegen. Ich nutze LinkedIn aber auch, um andere Menschen zu unterstützen: etwa, wenn jemand aus meinem Netzwerk etwas erreicht hat. Dann kommentiere oder teile ich das und freue mich mit. Zudem nutze ich Online-Medien, um mich inspirieren zu lassen: Welche Themen treiben die Geschäftswelt gerade um? Über was spricht mein Netzwerk? Wie ist der Ton? Was heisst das für die Wirtschaft und für uns als Gesellschaft? LinkedIn im Besonderen bietet für mich einen guten Mix aus Unterhaltung, Selbstmarketing und Research.

Wie bereiten Sie sich auf Interviews und Hintergrundgespräche vor?

Ich schaue mir zuerst das Thema an und überlege dann, ob und was ich beitragen kann. Danach geht es um die Rahmenbedingungen: Wer ist die Zielgruppe? Wer führt das Interview? In welchem Zusammenhang werde ich befragt? Auch erhalte ich die Fragen gerne vorab, damit ich mir eine Strategie zurechtlegen kann. Zu all diesen Punkten mache ich mir dann Notizen, welche ich dann kurz vor dem Interview noch einmal anschaue.

Was war Ihre schlimmste Erfahrung mit Journalist:innen?

Bei einem Fernsehinterview hat mich ein Journalist immer wieder zu einem speziellen Versicherungsthema gefragt, über das ich aber gar nicht sprechen durfte. Er hat mir wieder und wieder das Mikrofon unter die Nase gehalten und die Frage wiederholt. Das war nicht sehr angenehm. In der Vorbesprechung hatte man mir gesagt, es handle sich um ein allgemeines Interview zu Cyberversicherungen. Als der Beitrag gesendet wurde, kam aber raus, dass der Beitrag spezifisch auf das Thema abzielte, zu dem ich nichts sagen konnte. Danach habe ich noch viel stärker ausgesucht, welche Anfragen ich annehme und welche nicht.

Nehmen Sie einen Unterschied in der Berichterstattung zwischen Schweizer Medien und internationaler Presse wahr?

In der Schweiz ist es noch etwas Besonderes, wenn es eine Frau in eine hohe Position schafft. Ich denke, solange es noch so wenige Frauen in den oberen Führungsebenen gibt, werden sie sehr viel stärker begutachtet als Männer. Das kann einerseits ein Vorteil sein, weil man nicht um Aufmerksamkeit heischen muss. Das habe ich auch in meiner Karriere bemerkt: Ich musste nie besonders auffällig sein, um aufzufallen. Andererseits kann es auch negativ sein, da weibliche Führungskräfte so stärker unter Beobachtung stehen.

Haben Sie einen Wunsch an Journalist:innen?

Ich wünsche mir Ehrlichkeit im Austausch. Und: Journalist:innen sollten kritisch hinterfragen und nicht unreflektiert Aussagen oder Stories übernehmen. Auch künftig müssen Journalist:innen es schaffen, alle Seiten einer Geschichte zu zeigen und dabei menschlich zu bleiben. Ich wünsche mir, dass wir wieder von dem gehässigen und respektlosen Ton, der in manchen Medien herrscht, wegkommen. Ich erwarte nicht, dass Journalist:innen die Welt retten, aber alle können einen Beitrag zu einem respektvollen Umgang miteinander leisten.

„Ich positioniere mich ganz bewusst nicht als Frau“

Valerie Diele-Braun hat schon viel von der Welt gesehen. Die 50-Jährige hat in Deutschland Abitur gemacht, in Italien und in den USA studiert. Sie war 13 Jahre lang in der erweiterten Konsumgüterbranche unterwegs, unter anderem in Mailand, Hamburg und New York City. Im Jahr 2011 wechselte sie in die Chemie: zuerst zum niederländischen Mischkonzern DSM, im Jahr 2014 zum Grundstoffproduzenten Archroma in die Schweiz. Seit Sommer 2018 führt sie den Feinchemiehersteller CABB Group in Pratteln bei Basel.

Frau Diele-Braun, wie sehr hat Sie das Thema „Frau sein“ in Ihrer Karriere bisher beschäftigt?

Lange Zeit überhaupt nicht. Meine Mutter ist Journalistin und hat als stellvertretende Chefredakteurin einer Zeitung gearbeitet. Deshalb dachte ich damals, dass Frauen und Männer im beruflichen Kontext gleichbehandelt werden und es überhaupt kein Problem gibt.

Das klingt, als ob Sie ein böses Erwachen hatten.

Nicht böse, aber nach meinem Aufstieg ins europäische Management musste ich auf Veranstaltungen auf einmal feststellen: Von mehreren hundert Teilnehmenden waren nun auf einmal nur noch eine Handvoll weiblich. Das war ich aus meiner Zeit in den USA nicht gewöhnt. In New York City habe ich Mitte der 1990er Jahre für den Duftstoffhersteller Quest International gearbeitet und Parfüms auf den Markt gebracht. Sowohl auf Unternehmens- als auch auf Kundenseite gab es Frauen, Männer und alles dazwischen. Und: Alle haben mir das Gefühl gegeben, dass ich alles erreichen kann, unabhängig von meinem Geschlecht.

Das klingt sehr amerikanisch.

Ja und nein. Es hat vor allem etwas mit der Unternehmens- und Branchenkultur zu tun und wie Frauen darin gesehen werden. Auch in Osteuropa habe ich sehr toughe, gute Managerinnen kennengelernt. Frauen, die Fabriken geführt haben, die leitende Marketing-Positionen innehatten, die Geschäftsführerinnen waren.

Viele Managerinnen bekommen von der Presse einen Stempel aufgedrückt. Sie sind in den Medien bisher nicht so positioniert. Wie haben Sie das geschafft?

Ich positioniere mich ganz bewusst nicht als Frau. Da rutscht man schnell in die Quotenschiene. Wenn ich Frauen in der Presse sehe, möchte ich merken, dass sie eben keine Quotenfrau sind und es durch ihre Leistung auf die Position geschafft haben. Deshalb definiere ich mich auch lieber über meine Leistung als über mein Geschlecht. Wenn ich in einem Interview sagen würde, dass ich vier Kinder habe, dann käme automatisch die nächste Frage: Wie machen Sie das denn? Deshalb versuche ich, das zu vermeiden. Nicht, weil ich meine Kinder nicht liebe, sondern weil das der ganzen Sache einen anderen Dreh gibt. Als Firma hat CABB viel Interessantes zu erzählen, da möchte ich nicht, dass meine Rolle als Mutter und mein Geschlecht alles andere übertünchen.

Wie gehen Sie mit Fragen von Journalist:innen zu Ihrem Privatleben um?

Ich versuche, direkt wieder aufs Geschäftliche zu kommen. Und: Ich reiße mich generell nicht um Interviews. Ich bin von Anfang an sehr selektiv gewesen, mit wem ich spreche und wie viel Zeit ich dafür verwende. Ich spreche nur etwa zwei Mal im Jahr mit Journalist:innen. Wichtiger für den Geschäftserfolg von CABB sind Gespräche mit Analyst:innen und Investor:innen.

Wie nehmen Sie den Diskurs über Managerinnen in der Schweiz wahr?

Es gibt einige Vorzeigefrauen, die immer wieder in den Medien auftauchen. Es wird gerne vergessen, dass es da noch eine ganze Reihe guter Frauen gibt, von denen man noch nie etwas gehört hat. Die Schweiz strengt sich nicht besonders an, ihre guten Frauen zu vermarkten. Ich würde gerne mehr Präsenz von unterschiedlichen Frauen sehen. Nur so geben wir jungen Frauen das Gefühl, dass es viele Vorbilder gibt, die erfolgreich sind. Als junge Frau hätte ich mir das gewünscht.

Wie möchten Sie in der Presse wahrgenommen werden?

Als Trüffelschwein. Ich möchte zeigen, dass ich in eine Firma kommen kann und das Alleinstellungsmerkmal, die Besonderheit der Firma herausarbeite, den sie irgendwo in ihren Schubladen versteckt und vielleicht selbst noch nicht entdeckt hat. Ich sehe mich als eine Veränderungsantreiberin und ergebnisorientierte Führungsperson, die dafür sorgt, dass eine Firma wieder erfolgreich sein kann. Ich möchte auch, dass meine Mitarbeitenden mich so wahrnehmen. Das ist ein Ziel meiner Kommunikation in der Presse: Ich spreche nicht mit den Medien, um mich selbst darzustellen, sondern um den Mitarbeitenden zu zeigen, für was das Unternehmen mit mir als CEO steht.

Was war denn das Schlimmste, das die Presse über Sie geschrieben hat?

Die Basler Zeitung hat mal über mich berichtet und den Titel gewählt: von Chanel zu Javel. Javel heißt Bleichlauge auf Schwyzerdütsch. Ich habe ja in der Parfümbranche angefangen – und mein jetziger Arbeitgeber stellt Bleichlauge her. Das ist zwar ein gutes Wortspiel, aber eben nicht das, was mich ausmacht. Ich überlege mir immer genau, welche Botschaft ich senden möchte und welche schwierigen Fragen kommen könnten. Ich scheue mich nicht vor Statements zu meinem Geschlecht. Im Gegenteil: Ich möchte deutlich machen, dass Frauen sein können, was immer sie wollen – Hausfrau oder CEO.

Beurteilen Medien Frauen oder Männer kritischer?

Bei einer Frau tut es oft viel mehr weh, wenn sie keinen guten Job macht oder in der Presse schlecht inszeniert wird. Ich glaube Männer sind da wahrscheinlich neutraler als wir Frauen selbst. Ich jedenfalls habe an Frauen hohe Erwartungen, so wie ich auch hohe Erwartungen an mich selbst habe. Wir sind Rollenmodelle und daher sollten wir beweisen, dass wir erfolgreich sind, um den Weg für andere Frauen zu ebnen.

„Ich wünsche mir, dass man mit männlichen Führungskräften mehr über ihre Rolle als Väter spricht“

Clara-Ann Gordon ist Equity Partner bei einer der grössten Wirtschaftskanzleien der Schweiz, sitzt in verschiedenen Verwaltungsräten und leitet das „Women Lawyers’ Committee“ der International Bar Association, eine internationale Vereinigung von Rechtsanwälten, Rechtsanwaltskammern und Rechtsanwaltskanzleien. Auf Fragen zu Frauenquoten und angeblich benachteiligten Männern hat sie mittlerweile keine Lust mehr. Viel lieber würde sie in den Medien zum Beispiel etwas über das Familienleben männlicher CEOs lesen.

Frau Gordon, Sie sind eine international bekannte Expertin für viele Themen rund um Technologie- und Cyber-Recht, und eine von ganz wenigen Frauen, die Equity Partner in einer grossen Schweizer Kanzlei sind. Was wollen Schweizer Medien von Ihnen wissen?

Die meisten Anfragen kommen tatsächlich, wenn meine Expertise gefragt ist: für Themen wie Cybersicherheit oder zu einem neuen Datenschutzgesetz. Da melden sich etwa die NZZ, das Schweizer Fernsehen oder die Handelszeitung. Ich achte darauf, nur diejenigen Anfragen anzunehmen, bei denen ich auch wirklich Expertin bin und etwas zu sagen habe. Dann gibt es natürlich Anfragen zu meinen aktuellen Fällen, aber da gebe ich in der Regel gar keine Antwort. In der letzten Zeit bekomme ich häufiger auch Anfragen zu meinen Verwaltungsratsmandaten, nicht nur von Medien, sondern vor allem auch im Rahmen von Veranstaltungen und Konferenzen, für die Referent:innen gesucht werden.

Haben Sie den Eindruck, dass Sie als Frau in einer Führungsposition von den Medien anders angesprochen werden als männliche Führungskräfte?

Bei den fachlichen Anfragen gar nicht, da würde ich keinerlei Unterschied sehen. Wenn es um Verwaltungsratsthemen geht, ist das Interesse aber klar: Die Frauenquoten sind ein grosses Thema. Da bin ich für meine Klient:innen auch oft auf Panels und spreche zu diesen Themen.

Um welche Fragen geht es dabei?

Die Fragen sind ehrlich gesagt ziemlich redundant. Immer wieder über den Sinn und Unsinn weiblicher Vorstände zu debattieren, finde ich einfach unnötig, denn das ist für mich ein No-Brainer. Wenn man 50 Prozent Kundinnen hat, sollte man auch 50 Prozent Frauen im Management haben. Ich möchte darüber eigentlich nicht sprechen, aber es wird immer wieder zum Thema gemacht. Zuletzt kommen die Fragen besonders oft in der Form von: «Ja aber finden Sie das denn in Ordnung, dass jetzt die Männer benachteiligt werden bei der Vergabe von Verwaltungsratsmandaten oder Vorstandsposten?» Da kann ich dann nur sagen: Das ist keine relevante Frage. Die Realität ist weit davon entfernt, Männer zu benachteiligen. Um das zu sehen, muss man sich nur die tatsächlichen Frauenquoten in diesen Positionen anschauen. Bei den börsennotierten Unternehmen etwa sprechen die Hard Facts eine deutliche Sprache.

Gehen Sie mit diesen Themen selbst aktiv auf die Medien zu?

Aktiv positioniere ich mich nur dann, wenn es um meine eigene Branche geht. Ich engagiere mich in internationalen Gremien und setze mich dafür ein, dass wir nicht so viele weibliche Talente verlieren. Dasselbe Phänomen gibt es natürlich in fast allen Branchen. Wohin verschwinden all die gut ausgebildeten Top-Frauen in ihren Dreissigern? Ich würde mir wünschen, dass die Medien da stärker nach den strukturellen Gründen fragen. Stattdessen tragen sie mit ihrer Berichterstattung oft dazu bei, die bestehenden Ungleichheiten zu verstärken.

Was stört Sie an der Berichterstattung über weibliche Führungskräfte?

Ein Beispiel: Eine Bundesrätin tritt zurück, weil ihr Mann einen Schlaganfall hatte. Dann gibt es eine Ersatzwahl, und nur Frauen stehen auf dem Ticket. Sofort wird geschrieben: Das ist Diskriminierung! Würde das umgekehrt jemand schreiben, wenn nur Männer um ein Amt konkurrieren? Ein anderes Beispiel: Es gibt zwei Kandidat:innen für ein politisches Amt. Eine ist eine Frau, sie hat zwei kleinere Kinder. In den Medien gibt es eine grosse Diskussion: Ist das mit ihrem Amt vereinbar? Ich finde: Das geht so nicht, das ist kein Thema, das interessiert nicht. Wenn die Frau entschieden hat, sich für dieses Amt zu bewerben, dann wird sie wohl eine Lösung dafür haben, wie sie sich zuhause aufstellt. Ein Mann würde dasselbe niemals gefragt, das würde niemals in irgendeinem Artikel stehen: «Oh, wie bekommt er das wohl mit der Kinderbetreuung hin?» Man sieht an diesen Beispielen: Die Medien unterscheiden zwischen Männern und Frauen in Führungspositionen. Damit verfestigen und unterstützen sie die unterschiedliche Wahrnehmung der Geschlechter auch in der Gesellschaft.

Welche Art der Fragen und Berichte würden Sie sich stattdessen wünschen?

Ich würde sagen: Fragt nicht mich, wie ich meine Kinder versorge. Fragt nach den Strukturen: Woran liegt es, dass so viele Frauen irgendwann aussteigen, dass sie nicht in die Top-Positionen kommen? Oder von mir aus: Fragt mich und andere Frauen ruhig weiter nach unseren Familien. Ich verstehe ja sogar, dass man das in manchen Zusammenhängen interessant findet. Aber fragt es die Männer in vergleichbaren Positionen dann bitte auch.

Was würde sich dadurch ändern?

Der Drive der Geschichten würde ein völlig anderer werden. Männer dürfen bislang einfach sagen: Dank meiner wunderbaren Familie bin ich da, wo ich bin, fertig. Bei weiblichen C-Level-Interviews liest man hingegen ganz oft diese etwas mitleidige Frage in der ein oder anderen Form: Was musste sie opfern? Da schwingt die Idee mit: Bestimmt hat sie auf Kinder oder eine:n Partner:in verzichtet. Oder: Bestimmt war es schlimm für die Kinder. War es das wert? Aber die C-Level-Männer mussten mit Sicherheit auch private und berufliche Opfer bringen. Sie haben vielleicht auf Zeit mit ihren Kindern verzichtet, oder eine Beziehung ging in die Brüche, oder sie haben auf private Interessen verzichtet.

Diese Themen werden bei Männern also ausgeblendet?

Ja. Ich würde mir auch wünschen, dass man mit männlichen Führungskräften mehr über ihre Rolle als Väter spricht. Dass ich mal lese: «Der ist Vorstand und hat zwei Monate Elternzeit genommen.» Oder: «Der ist CEO, verwitwet und hat fünf Kinder. Wie hat er das geschafft?» Zu glauben, dass Männer solche Geschichten nicht zu erzählen haben, ist ein Bias. Journalist:innen haben die Vorurteile, die in der Schweizer Gesellschaft vorherrschen, selbst auch, und das ist nachvollziehbar. Aber sie haben eben auch die Aufgabe, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und die Aufmerksamkeit mal auf eine andere Seite dieser Geschichten zu richten.

„Es ist wichtig, als Role Model präsent zu sein – für aktuelle und zukünftige Mitarbeiterinnen."

Mirjam Staub-Bisang ist Schweizer Länderchefin von BlackRock und Senior Advisor für Sustainable Investing. Zuvor hat sie unter anderem das auf nachhaltige Geldanlage spezialisiertes Unternehmen „Independent Capital Group“ geführt.

Frau Staub-Bisang, die Medien haben von Anfang an – mal positiv, mal negativ – über Sie berichtet. Hat sich aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahren bei der Berichterstattung über weibliche Führungskräfte etwas getan?

Ich sehe grundsätzlich eine positive Entwicklung. Meiner Meinung nach spielen dabei Initiativen eine wichtige Rolle, die Frauen in der Berichterstattung sichtbarer machen – zum Beispiel EqualVoice von Ringier. Die Initiative misst unter anderem, wie oft Frauen in journalistischen Beiträgen des Medienhauses stattfinden. Das hilft mit Sicherheit, denn: What gets measured, gets managed.

Spüren Sie diese Entwicklung auch persönlich, bei den Berichten über Sie selbst?

Ja. Früher haben mich Journalist:innen häufiger zu meiner privaten Situation befragt, also etwa zu meiner Familie – beispielsweise was denn mit meinen Kindern sei, während ich arbeite. Das sind Fragen, die man Männern nicht stellen würde. Viele Frauen sind sich dessen bewusst, sie sind dahingehend sensibilisiert. Ich selbst entgegne dieser Frage, wenn sie aktuell dennoch kommt, gern mit der Gegenfrage: Würden Sie das auch einen Mann fragen?

Haben Sie eine Strategie, um solche Fragen bereits vorab abzuwehren?

Ich sage vor Interviews klar, dass ich allzu persönliche Fragen nicht beantworten werde. Denn ich will mich als Privatperson gar nicht in den Vordergrund stellen, es soll um meine Rolle bei BlackRock gehen – das ist übrigens auch Teil der Kommunikationsstrategie des Unternehmens. Ich will und soll in den Medien die Positionierung und die Prioritäten von BlackRock unterstreichen.

Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Journalist:innen Sie in eine ganz andere Rolle stecken wollen?

Heute seltener als früher. Aber ich habe schon mehrfach bemerkt, dass Journalist:innen schon vor dem Interview eine Rolle für mich im Kopf hatten und dementsprechend auch den Text verfassen. Ein Beispiel: In einem Artikel über mich als CEO von BlackRock Schweiz hat eine Journalistin platziert, dass ich als Model gearbeitet habe. Das ist viele Jahre her, und dauerte auch nur relativ kurze Zeit. Da habe ich mich schon gefragt: Inwiefern ist das wichtig für meine jetzige Position?

Ihr Mann ist ein bekannter Banker, das wird auch in Berichten über Sie immer wieder thematisiert. Was denken Sie darüber?

Zunächst spreche ich, wie gesagt, nicht über mein Privatleben. Dann kommt noch hinzu, dass mein Mann damals bewusst nur sehr selten mit Medien gesprochen hat. Ich glaube, dass irritiert manche Journalist:innen. Sie wissen nicht: Ist diese Frau jetzt BlackRock-Chefin oder Ehefrau des Mannes, der mit uns nicht sprechen wollte? Das verändert vermutlich ihren Blick auf mich.

Geht damit auch einher, dass Sie mit bestimmten Medien gar nicht sprechen – zum Beispiel aus dem Boulevard?

Bei den Kriterien, mit denen ich an Interviews herangehe, landet man automatisch bei Wirtschaftsmedien. Ich habe auch kein Interesse daran, zum Beispiel eine Homestory mit Boulevardzeitungen zu machen. Das ist für mich uninteressant. Ich will in erster Linie für mein Engagement als Länderchefin von BlackRock, mein Wissen und meine Kompetenz zu nachhaltiger Geldanlage stehen. Da bin ich thematisch sicher auch bestrebt einen Beitrag zur öffentlichen Debatte zu leisten.

In der Finanzbranche gibt es nicht viele weibliche Führungskräfte. Daher wird immer wieder thematisiert, dass Sie eine Frau sind, auch in Wirtschaftsmedien. Stört Sie das?

Nein, im Zusammenhang mit meiner beruflichen Position nicht. Es ist wichtig, als Role Model präsent zu sein – für aktuelle und zukünftige Mitarbeiterinnen. Ich habe selbst in meiner Karriere von solchen Role Models profitiert, das war zum Teil ausschlaggebend dafür, dass ich jetzt dort bin, wo ich bin. Je mehr Frauen in Führungspositionen wahrgenommen werden, desto selbstverständlicher wird es. Und dann trauen sich auch mehr Frauen solche Positionen zu.


Wozu Managerinnen in der Schweiz von Medien befragt werden: “Würden Sie das auch einen Mann fragen?“

Wenn die Schweizer Länderchefin von BlackRock Mirjam Staub-Bisang von Journalist:innen nach ihrer privaten Situation befragt wird, entgegnet diese immer wieder mal gerne: „Würden Sie das auch einen Mann fragen?“ Denn häufig beziehen sich Fragen an Managerinnen auf die Vereinbarkeit von Job und Familie. Diese Andersbehandlung wird auch von Clara-Ann Gordon, Equity Partnerin bei Niederer Kraft Frey, einer der grössten Wirtschaftskanzleien der Schweiz, kritisiert. Laut Gordon würde man niemals über einen Mann lesen, wie er denn das mit der Kinderbetreuung hinbekommen würde. Somit „verfestigen und unterstützen“ die Medien „die unterschiedliche Wahrnehmung der Geschlechter auch in der Gesellschaft.“ Sie meint, dass Journalist:innen die gleichen Vorurteile wie die Schweizer Allgemeinheit haben. Trotzdem haben sie „eben auch die Aufgabe, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und die Aufmerksamkeit mal auf eine andere Seite dieser Geschichten zu richten.“ Diese Aufgabe sieht auch Annabella Bassler, die als CFO von Ringier im Jahr 2019 die EqualVoice-Initiative**** startete und feststellt: „Vor einigen Jahren kamen nur sehr wenige Frauen in den Medien vor. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sich die Fragen geändert haben, welche man Personen in Führungspositionen stellt.“ Allgemein scheinen sich die Fragen zum Privatleben in Grenzen zu halten. So berichtet Gordon, dass in den meisten Fällen ihre Expertise als Cyber-Rechts-Expertin gefragt ist, wenn sie von Journalist:innen kontaktiert wird.

Inwiefern sich Managerinnen in der Schweiz selbst medial positionieren: “Ich will in erster Linie für mein Wissen und meine Kompetenz stehen.“

Managerinnen wollen ihre Rolle als Expertin auch medial einnehmen. “Ich will in erster Linie für mein Wissen und meine Kompetenz stehen“, so Staub-Bisang. „Ich positioniere mich ganz bewusst nicht als Frau“, sagt zudem Valerie Diele-Braun, CEO der CABB Group. Sie definiere sich über ihre Leistung und nicht über ihr Geschlecht, da man sonst schnell in die „Quotenschiene“ rutsche. Die Managerinnen wollen so eine Vorbildfunktion einnehmen. Maya Bundt, Verwaltungsrätin und zuletzt Leiterin Cyber- und Digitallösungen bei Swiss Re, findet es wichtig, dass „Frauen ihre Geschichten erzählen, denn es gibt zu wenige weibliche Vorbilder, die Führungsposition und Familie unter einen Hut bringen und öffentlich darüber sprechen“. Diele-Braun ergänzt, dass Top-Managerinnen zeigen sollen, dass sie erfolgreich sind, „um den Weg für andere Frauen zu ebnen.“

Wie Schweizer Managerinnen die Berichterstattung im Vergleich zu anderen Ländern wahrnehmen: “Das war ich aus meiner Zeit in den USA nicht gewöhnt.“

Die Präsenz von weiblichen Vorbildern in Schweizer Medien kommt immer noch deutlich zu kurz, wenn man auf die Zahlen der Uni Zürich blickt. Doch ist die fehlende weibliche Präsenz ausschliesslich ein Schweizer Problem? „In der Schweiz ist es noch etwas Besonderes, wenn es eine Frau in eine hohe Position schafft,“ sagt Bundt. Diele-Braun berichtet von positiveren Erfahrungen im Ausland. Auf Veranstaltungen hierzulande fand sie nur eine Handvoll weiblicher Teilnehmerinnen vor – bei mehreren hundert insgesamt. „Das war ich aus meiner Zeit aus den USA nicht gewohnt.“ Dort habe sie mit Personen aller Geschlechter gleichermassen zusammengearbeitet. In Bezug auf die Medienpräsenz von Frauen fügt sie an, dass es im Markt viele Managerinnen gäbe, von denen man noch nie etwas gehört habe: „Die Schweiz strengt sich nicht besonders an, ihre guten Frauen zu vermarkten.“ Bassler sieht hingegen Fortschritte und ist überzeugt, dass die Berichterstattung in den vergangenen Jahren bunter geworden ist. Laut ihr werden „unterschiedlichere Charakter abgebildet, Meinungen hinterfragt und die Diversität der Schweizer Bevölkerung auch in den Medien abgebildet.“

Ein Blick nach Deutschland zeigt ein insgesamt ähnliches Bild. FGS Global analysierte in einer Publikation aus dem Jahr 2021 rund 600 Interviews mit Führungskräften im deutschen Markt. Von diesen Interviews wurden nur 13% mit weiblichen Führungskräften geführt. Zudem wurde festgestellt, dass Frauen sechsmal öfter in ihrer Rolle als Privatperson dargestellt wurden als Männer.*****

Was sich Managerinnen von der Berichterstattung in der Schweiz wünschen: „Ich würde gerne mehr Präsenz von unterschiedlichen Frauen sehen.“

In den Gesprächen wurden vier konkrete Wünsche an die Medienwelt deutlich:

  • Mehr Sichtbarkeit – Die Gesprächspartnerinnen wünschen sich, dass Redaktionen die Managerinnen in der Schweiz sichtbarer machen. Als positives Beispiel in diese Richtung wird hier die Initiative EqualVoice von Ringier gesehen.

  • Mehr Vielfalt – Diversität in allen Facetten ist den interviewten Frauen ein wichtiges Anliegen, das die Schweizer Medien in der Berichterstattung berücksichtigen sollten. Dabei kommt es nicht nur auf das Frausein an, sondern beispielsweise auch auf verschiedene Altersgruppen oder Kulturkreise.

  • Mehr Ausgewogenheit – Das Interesse von Redaktionen an Themen wie Kinderbetreuung können die Interviewten nachvollziehen. Wichtig ist ihnen jedoch, dass solche privaten Fragen einerseits nicht den Grossteil des Gesprächs einnehmen und andererseits auch männlichen Führungskräften gestellt werden.

  • Mehr Fokus – Journalist:innen sollten in Interviews noch mehr nach den strukturellen Gründen fragen, warum es wenige Frauen in Führungspositionen in der Schweiz gibt. So würden Missstände sichtbar gemacht werden.


Was können Managerinnen tun?

  • Nicht verstecken, auch als einzige Frau nicht: Das Interesse an Frauen in Führungspositionen ist ein guter Aufhänger, um auch anderen Themen Visibilität zu geben. Wichtig: Schweigen mindert nicht das Risiko, medial falsch verstanden zu werden. Stattdessen wird die Deutungshoheit aus der Hand gegeben.

  • Chancen sehen: Das Interesse an der eigenen Person kann auch eine Chance sein. So dürfen eigene Themen aktiv angesprochen werden. Sicherheit gibt eine gute Vorbereitung.

  • Mutig sein, und nicht zu bescheiden: Eigene Erfolge bieten oftmals eine Grundlage für ein inspirierendes Gespräch. Dennoch muss das natürlich gut überlegt sein: Was einmal gesagt ist, lässt sich nicht wieder zurücknehmen.

  • Erklären: Ziel- und Rollenkonflikte – wie die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – können offen benannt und hinterfragt werden. Es gibt bei diesem Thema keinen Grund für eine Position der Defensive.

  • Vorbild sein: Weibliche Führungskräfte in der Schweiz sollten sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein. Wenn sie medial in Erscheinung treten, wird sichtbar, was möglich ist – und welche Herausforderungen damit einhergehen.

* GetDiversity: Diversity Report Schweiz
** Fög – Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft/ Universität Zürich: Darstellung von Frauen in der Berichterstattung Schweizer Medien
*** FGS Global: Von Star-Gründerinnen und Quotenfrauen und Die Ausnahme, die Rabenmutter, die Kämpferin – Unbewusste Bias in der medialen Darstellung von Top-Managerinnen
**** Die EqualVoice-Initiative von Ringier hat unter anderem ein Tool entwickelt, mit dem Medienhäuser in ihren journalistischen Beiträgen messen können, welchen Anteil weibliche Führungskräfte in ihrer Berichterstattung gegenüber den männlichen Pendants einnehmen.
***** FGS Global: Von Star-Gründerinnen und Quotenfrauen